Partizipatives Kartieren zu Mobilität im Quartier

Beitrag von Dr. Katrin Hurle Teilnehmerin an der Kartierung und Charlotte Liebel Projektkoordinatorin & Foto von Charlotte Liebel

Für ein lebenswertes Quartier ist Mobilität von zentraler Bedeutung: Schließlich ist sie unerlässlich für die Erreichbarkeit soziokultureller Angebote und spielt eine zentrale Rolle bei Maßnahmen zum Klimaschutz. Diskriminierungen bezüglich des Zugangs können auftreten, zum Beispiel für Rollstuhlfahrer*innen. Die Mobilitätsinfrastruktur trägt zudem zur Strukturierung der Stadtviertel bei. Deshalb trafen sich interessierte Bewohner*innen und engagierte des Erlanger Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen am Samstag den 7.5.2022 zu einer partizipativen Kartierung, eingeladen von Altstadt trifft Burgberg und Lisa Kaufmann im Rahmen der der Themen-Serie „Feministische Verkehrswende: Neue Wege, um zu verbinden“

Das partizipative Kartieren umfasst eine Reihe von Techniken, bei denen Werkzeuge der modernen Kartographie mit partizipativen Methoden kombinieren werden, um das räumliche Wissen lokaler Gemeinschaften aufzuzeichnen und darzustellen. Die grundlegende Prämisse dabei ist, dass die Nutzer*innen über genaue Kenntnisse ihres Umfelds und über Expert*innenwissen ihre lokalen Umgebungen verfügen, welches häufig in keinerlei Weise festgehalten ist. Dieses Wissen unterscheidet sich zudem nach den jeweiligen Nutzer*innen-Gruppen, so sollten idealerweise verschiedenen Mitglieder einer Community, sprich Männer, Frauen und Kinder mit verschiedenen sozio-ökonomischen und sozialstrukturellen Hintergründen einbezogen werden um deren unterschiedlichen Perspektiven und Probleme zu erfassen. Im Kontrast zu den üblichen Arbeitsweisen von Planer*innen, die für einen bestimmten Entwicklungsprozess zuständig sind, bietet das Partizipative Kartieren die Möglichkeit ein soziales und kulturelles Verständnis eines Gebiets
darzustellen und Informationen aufzunehmen, die von den Mainstream-Karten ausgeschlossen sind. 
Partizipative Karten bieten eine wertvolle und ermächtigende Methode für eine Gruppe darzustellen, wie sie ihren Ort wahrnimmt, was aus ihrer Sicht dessen wesentlichen Merkmale sind. In diesem Fall handelte es sich um ein problemzentriertes Mapping, bei dem die Mobilität, bzw. die Behinderung der selben im Quartier stand.  

Als Ausgangspunkt wurden zentrale Leitlinien wurden formuliert. Mobilität muss für alle zugänglich sein und Ausschlüsse müssen sichtbar gemacht werden – Mobilität muss für Alle Nutzer*innen gleichermaßen sicher sein – Mobilität muss fehlerfreundlich und inklusiv sein – Mobilität muss auch Wege und Bedarfe von Beziehungs- und Sorgearbeit berücksichtigen. Letztere zeichnet sich häufig durch kurze Wege im Viertel aus und sollte  aufgrund ihrer zentralen Funktion für die Gesellschaft bei Verkehrsplanungen künftig stärker berücksichtigt werden.

Fehlerfreundliche Ansätze im Verkehr berücksichtigen die Bedürfnisse von Menschen, die nicht, noch nicht oder nicht mehr schnell laufen können oder nicht gut sehen oder hören. Beispiele hierfür sind längere Ampelschaltungen, breitere Radwege, öffentliche Sitzgelegenheiten, barrierefreie Kennzeichnungen, gute Sichtbeziehungen oder Spielstraßen/30er-Zonen. An dieser Stelle wiesen die Teilnehmerinnen auf die hohe Bedeutung von ausreichend verfügbaren öffentlichen Toiletten hin, gerade in Hinblick auf ältere Menschen oder Kleinkinder. In der Erlanger Innenstadt mangelt es dabei oft an einer ausreichenden Beschilderung der vorhandenen Toiletten.

Als Beispiel für eine schwierige Verkehrssituation stellte Lisa Kaufmann die Ecke Wöhrstraße / Harfenstraße vor. Über diesen Bereich läuft eine stark frequentierte Rad- und Fußgängerroute. Die Wegebeziehungen für den Radverkehr sind jedoch unklar, zudem bilden wartende Autos vor der Tagesklinik Sichtbarrieren. Mehrere Ein- und Ausfahrten für Klinikmitarbeiter*innen verkomplizieren die Situation zusätzlich, und bei den Bordsteinabsenkungen wurden nur die Einfahrten für Autos bedacht.

Danach startete – angesichts des sonnigen Wetters im Freien und damit öffentlich wahrnehmbar – die aktive Phase des Workshops. Die Teilnehmer*innen wurden gebeten, auf einer Karte des Quartiers ihre alltäglichen Wege, inklusive des verwendeten Verkehrsmittels, einzuzeichnen und dabei auf mögliche Schwierigkeiten hinzuweisen. Obwohl die meisten nicht im Quartier wohnen, konnten doch alle Teilnehmer*innen Wege finden, die sie im Rahmen der beruflichen Tätigkeit oder Freizeitaktivitäten mehr oder weniger regelmäßig zurücklegen. Dabei konnten einige Problemfelder identifiziert und mögliche Lösungen aufgezeigt werden:

  • Im Bereich des Altstädter Kirchenplatzes sind die „Furten“ (glatt gepflasterte Bereiche) zu eng.
  • Im Altstadtbereich, insbesondere der Achse Glockenstraße – Theaterstraße, befinden sich vergleichsweise viele Autos (sowohl durchfahrend als auch parkend), was sowohl die Außengastronomie als auch den Rad- und Fußverkehr stört. Insgesamt werden die Wege in der Altstadt als sehr eng wahrgenommen, so dass es auch zu Konflikten zwischen Radfahrer*innen und Fußgänger*innen kommt. Auch mit Fahrradhänger ist die Durchfahrt schwierig. Entspannt werden kann die Situation durch Herausnehmen oder zumindest deutliche Reduzierung des Autoverkehrs.
  • In der Loschgestraße vor der Kinderklink sind die Vorfahrtsbeziehungen Auto-Fahrrad unklar.
  • Die Heuwaagpassage ist nicht schön zum Durchlaufen, insbesondere abends / nachts. Lösung wäre hier mehr Beleuchtung.
  • Die Nutzung des Theaterplatzes als Parkplatz wird als Verschwendung wahrgenommen, allerdings würde ein Wegfall der Parkplätze großen Widerstand der Öffentlichkeit hervorrufen.
  • Der Ruhebereich an der Hindenburgstraße ist schlecht zugänglich
  • Der Fußweg in der Rathsberger Straße ist wegen Aufparken schwer zu nutzen
  • Weitere öffentliche Toiletten am Martin-Luther-Platz und am Lorlebergplatz wären sinnvoll
  • Außerdem mehr Mülleimer!

Als positiv wurden die öffentliche Toilette am Spielplatz am Theaterplatz sowie die Paulistraße (schöner Belag, Bäume) wahrgenommen. Die Methode des Partizipativen Kartierens zeigt, dass viel lokales Wissen vorhanden ist und die Wertschätzung und Wahrnehmung dieses Wissens zu einer gesteigerten Teilhabe führen kann.